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Umeå: Kreativstadt im Norden

Alte traditionelle Holzhäuser, Kunstinstallationen und neue futuristische Gebäude treffen in Umeå aufeinander. NORR-Redakteurin Karen Hensel hat die Kulturhauptstadt besucht.

Der Fluss, der durch die Stadt sprudelt, erinnert an den wilden und einsamen Norden Lapplands. Die imposanten Gebäude vermitteln ein Großstadtflair à la Stockholm. Irgendwo dazwischen liegt Umeå, mit 120.000 Einwohnern die größte Stadt Norrlands.

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Auf meiner Durchreise von einer Wanderung im nordschwedischen Gebirge zurück nach Stockholm, bin ich in Umeå ausgestiegen. Nun stehe ich etwas weltfremd vor dem beeindruckend-futuristischen Gebäudeklotz Väven, direkt am Ufer des Umeälven. Dort treffe ich Daniel Granquist und Anders Rignér, die seit vielen Jahren in der Stadt leben. »Umeå hat eine spannende Entwicklung zurückgelegt«, erzählt Anders. »Anfang des 19. Jahrhunderts war es eine bürgerliche Kleinstadt. In den 60er Jahren entstand, auch durch den Bau der Universität, eine aktive Linksbewegung, die bis heute geblieben ist. Anfang der 90er kam dann die Straight-Edge-Bewegung dazu. Einige Hardcorepunkbands, wie Refused sind hier geboren«.

Investitionen in Kultur

Ich erfahre, dass Umeå in den letzten Jahre viel in Parks und kulturelle Angebote investiert hat, so zum Beispiel das Kulturzentrum Väven, das 2014 im Zuge von Umeås Auszeichnung als Kulturhauptsstadt errichtet wurde. »Die Geschmäcker über das Design gehen allerdings auseinander. Viele sagen, dass es wie eine gestrandete Finnlandsfähre aussieht“, lacht Daniel. Im Väven befinden sich auch die Stadtbibliothek, ein Programmkino und das Museum für Frauengeschichte, das als Kompromiss integriert wurde, damit die Vänsterpartiet (Linkspartei) dem Bau des modernen Kulturkolosses zustimmt.

Ich streife kurz durch die humoristische und clevere Ausstellung. Als ich später zum Västerbotten Museum im Stadtteil Gammlia spaziere, fallen mir unzählige Birken auf, die die Straßen säumen. Sie sind historische Zeitzeugen, denn nachdem Umeå zum vermehrten Male abbrannte, wurden die Bäume im 19. Jahrhundert als Schutz vor dem Feuer gepflanzt.

Nach dem Besuch des Museums mit Ausstellungen zu Umeås Geschichte und samischer Kultur, schaue ich mich im dazugehörigen Freilichtmuseum um. In der Backstube kneten in Trachten gekleidete Damen Fladenbrotteig nach altem Rezept. Dann zieht es mich weiter in den Skulpturenpark, der sich auf dem ehemaligen Gelände einer psychiatrischen Klinik in Umedalen befindet. Auf dem Areal gibt es viele merkwürdige Installationen wie halb verbuddelte Badewannen oder eine Reihe Hemden, die hoch in den Tannenwipfeln hängen. Mein Favorit ist ein Pferd auf dem Schornstein einer alten Fabrik.

Die Welt verbessern

Zum Abendessen geht es in die »Köksbaren«, die Spezialitäten mit saisonal passenden Zutaten aus Västerbotten kreiert und anschließend auf ein Mikrobrauereibier in »Lottas Krog«. Am nächsten Morgen mache mich auf zum Bildmuseum, das Kunst der Gegenwart zeigt. In diesem kreativen Bezirk liegt auch die international bekannte Design- und Architekturhochschule. Auf einem Grünstreifen vor den Gebäuden entdecke ich ein weiteres faszinierendes Kunstobjekt: Eine riesige Wäscheklammer aus Holz.

Bevor ich den Umeälven weiter entlang spaziere, mache ich einen Abstecher in die Pilgatan und schaue beim »Bokcafé Pilgatan« vorbei, das Buchhandel, Café und riesiges Antiquariat vereint. Im Café treffen sich regelmäßig Literaturinteressierte und Autoren und diskutieren über kulturelle und politische Werke. Mit einem Jubiläumsgebäck, das ich im Vorbeigehen aus der fast hundert Jahre alten »Nya Konditoriet« ergattere, laufe ich den Umeälven weiter flussaufwärts.

Über Umeås älteste Brücke fegen scharenweise Radler mit Jutebeuteln und langen Bärten. Im Brückenpark wimmelt es von Studenten. Eine davon ist Sofie Engman. »Umeå ist eine wahnsinnig offene und tolerante Stadt«, erzählt sie. »Umweltfragen, Antirassismus und Feminismus sind wichtige Themen für viele der Jüngeren hier. Wir wollen gemeinsam für eine bessere Zukunft kämpfen.«

Bevor mein Zug nach Stockholm abfährt, schlendere ich durch den Bahnhofstunnel, in dem sich das interaktive Kunstwerk Lev! (Lebe!) der Schriftstellerin Sara Lidman befindet. »Der Herbst war wunderschön, ich habe mir nämlich eine Geige gebaut.« So steht es auf einer ihrer Glastafeln.

Umeå ist nicht nur ein netter kultureller Zwischenstopp nach einem Outdoor-Abenteuer in Lappland. Umeå denkt nach und hat Wichtiges zu sagen.

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