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Mücken, Vögel und Einsamkeit: Wandern auf dem Kevo-Trail

Es ist heiß, sehr heiß, fast 30 Grad – über Null wohlgemerkt. Ich betone das, weil wir in Nordfinnland sind, nördlich des arktischen Polarkreises. Wir haben dicke Hemden und Jacken dabei. Aber eigentlich könnten wir in T-Shirt und kurzer Hose wandern. Wenn da nicht die vielen Mücken wären.

Wir sind auf dem Kevo-Trail unterwegs, in einem besonders geschützten Naturreservat. Hier darf man sich als Mensch erst ab dem 15. Juni aufhalten. Es ist jetzt Ende Juni. Die Zugvögel sind schon lange da und haben bereits gebrütet. Das Highlight im rund 710 Quadratkilometer großen Kevo-Naturreservat ist der 40 Kilometer lange und bis zu 100 Meter tiefe Canyon des Flusses Kevojoki. Und da Finnland ja ansonsten eher flach ist, wollen wir diese Sehenswürdigkeit und die Gegend ringsherum unbedingt aus der Nähe bestaunen.

Freude über eine Erfrischung im Wasser

Der Trail führt mal oberhalb der Schlucht auf steinigem Fjäll entlang, mal folgt er dem Fluss unten im Canyon. Um die zahlreichen steilen An- und Abstiege vor Erosion zu schützen, wurden an vielen Stellen Holztreppen angelegt. Wir ächzen unter der Last unserer schweren Rucksäcke, beladen mit Zelt, Schlafsäcken, Kocher, Proviant für fünf Tage, Fotoausrüstung und was man sonst noch so braucht. Nass geschwitzt wie wir sind, freuen wir uns auf die nächste Watstelle, auf die kühle Erfrischung im frischen Wasser.

An den vier Watstellen des Kevo-Trails ist über den Fluss ein Drahtseil gespannt, an das mehrere über Rollen bewegliche Haltegriffe angebracht sind. So kommt man auch ohne Wanderstöcke sicher durch den Fluss. Da das Wasser teilweise mehr als knietief ist, ziehen wir hier lieber unsere Hosen aus oder krempeln sie zumindest weit hoch – das freut dann auch die Mücken, besonders beim Aus- und Anziehen.

Vogelbeobachtung im Fjäll

Nach den Flußdurchquerungen geht es wieder hoch aufs mehr oder weniger kahle Fjäll. Steinschmätzer, Goldregenpfeifer sowie große Brachvögel, die hier nur im Sommer leben, und Moorschneehühner, die in diesem Gebiet das ganze Jahr zu Hause sind, begleiten uns dort oben auf Schritt und Tritt. Das offene, flache Fjäll lässt unseren Blick weit in die Landschaft schweifen, über die aus blauem Himmel herab die Schatten weißer Wolken ziehen. Nur selten sehen wir weit entfernt andere Wanderer. Ab und an bieten sich aber dafür tiefe Einblicke in den Canyon.

Abends bauen wir unser Zelt an den zahlreichen, idyllisch, und meist am Fluss gelegenen, offiziellen Lagerstellen auf. Nur an solchen Plätzen darf man in diesem geschützten Gebiet übernachten. Dafür wird man mit Windschutzhütten, Feuerstellen, Feuerholz und Trockenklos belohnt. Vom südlich gelegenen Sulaoja aus erreichen wir nach 65 Kilometern Wanderung Kenesjärvi, von wo uns ein Linienbus zurück zu unserem Startpunkt bringt. Wir haben es geschafft!