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Helsinki Stadt der Träumer

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In Helsinki werden kreative Träume wahr. Verlassene Orte werden zu neuem Leben erweckt und ambitionierte städtebauliche Projekte verwirklicht. Nicht umsonst ist die Stadt in diesem Jahr Weltdesignhauptstadt.
NORR
hat die spannendsten Plätze der Ostseemetropole besucht.

2035 sollen in Kalasatama zehntausende Menschen wohnen und arbeiten. Bis dahin will Sanni Jouhki
auf dem Hafengelände im Zentrum Helsinkis »ein bisschen Spaß haben«.

Und so stellt sie dort, direkt am Wasser, einen Container auf. Im Container gibt es guten Kaffee und andere schöne Dinge. Um ihn herum spielen Menschen Basketball, setzen Pflanzen in Bauschuttsäcke, liegen in Hängematten und sind auch gleich noch eine Touristenattraktion für die Fahrgäste, die per Fähre zum Zoo Korkesaari fahren.
»Ihana Café« heißt Sannis Ort
und »ihana« heißt wundervoll.

Kalasatama bringt auf den Punkt, was Helsinki als lebenswerteste Stadt der Welt (Monocle Quality of Life Review 2011) und »World Design Capital« (WDC) 2012 auszeichnet: das Zusammentreffen von kleinen und
großen Visionen, von privaten »Graswurzelprojekten«
wie dem Containercafé einerseits und hoch ambitio- nierten städtebaulichen Riesenprojekten wie Kalasatama andererseits.

Für die urbane Dynamik lassen sich viele Gründe finden. Die Architektin Hella Hernberg attestiert den Bewohnern Helsinkis eine »kreative Einstellung im Umgang mit der Stadt«. Sie hat ein Buch darüber geschrieben,
»Helsinki beyond Dreams«, das dokumentiert, wie Menschen verlassene Orte neu zum Leben erwecken.
Träume werden hier aber auch deshalb leichter Realität, weil es neben der Kreativität auch das Kapital gibt, um sie umzusetzen. Dem Land, der Stadt, den Menschen geht es gut. Selbst Sannis Container-Park ist kein prekäres Provisorium, eher ein Start-up – mit Sponsoren, Website und Corporate Design.

Mete Ufacik

Toumas Toivonen geht noch einen Schritt weiter.
Für den Gründer des Architekturbüros Now ist urbanes Engagement gewissermaßen eine Bürgerpflicht:
»Jeder trägt die Verantwortung für seinen Traum von Stadt«, meint er.

Now präsentiert im Rahmen des WDC-Programmes seine »Kulttuurisauna«, eine Kombination aus Büro und öffentlicher Sauna, mit direktem Zugang zum Wasser und in Sichtweite des Ihana Cafés. Überhaupt scheint es, als seien zwei Dinge ganz besonders wichtig für das individuelle wie kollektive Glück der Einwohner: das Wasser und die Sauna. Die Finnen stecken enorme Kraft in urbane Projekte, die darauf abzielen, Lebensraum am Ufer zu schaffen. Allein durch die Verlegung des Frachthafens nach Vousaari östlich der Stadt schuf man im Zentrum zwanzig Kilometer neue Wasserfront und Raum für moderne, nachhaltig konzipierte Wohngebiete.

Auch in Antti Salminens WDC-Beitrag »Design goes Mattolaiturit« spielen das Naturgut Wasser und das Kulturgut Sauna eine zentrale Rolle. Der »Mattolaiturit« ist ein traditioneller Steg, an dem man früher seine Teppiche wusch und der überall im Stadtbild zu finden ist – ein fester Bestandteil der Identität Helsinkis. An dreizehn dieser Stege wird Antti Salminen schwimmende Sauna-Module in Würfelform andocken. Sie sollen die historische Bedeutung des »Mattolaiturit« bewusst machen und damit zu dessen Erhalt beitragen.

Die schönsten und eindrucksvollsten Waschbrücken liegen am Merisatama (»Meereshafen«, Kaivopuisto Ufer), gerade im Sommer ein pulsierender Ort mit wunderbarem Blick auf das Wasser.

»Open Helsinki: Embedding Design in Life« lautet die offizielle Vision der Weltdesignhaupstadt 2012. Konkrete Projekte wie die von Sanni, Toumas und Antti zeigen direkt, was damit gemeint ist.

Und dass Design in Finnland Teil des Lebens ist, wissen wir ja nicht erst seit gestern. Alvar Aalto, dessen Architektur das Stadtbild Helsinkis an vielen Orten prägt, ist mit seinen formschönen Einrichtungsobjekten seit Jahrzehnten auch in vielen deutschen Wohnzimmern
Zuhause.

Wer die ganze Geschichte der finnischen Formen und Funktionen erleben will, besucht am besten das Designmuseum in Helsinki. Hier gibt es im WDC-Jahr gleich ein Dutzend interessanter Sonderausstellungen mit Workshops. Bei aller Zukunftsorientiertheit der Festivalthemen (z.B. »Trans- forming the City« oder »Rethinking Design«), bei allen großen Worten über »die Inspiration von Dialog« oder »die neue Rolle nachhaltigen Designs« tut es dann doch ganz gut, im Programm auf so bodenständige Ausstellungen wie »Woodism« in der Virka Gallerie (Helsinki Stadthalle) zu stoßen.
Hinter »Woodism« verbirgt sich eine 11-köpfige Gruppe finnischer Designer und Tischler, die sich in Parks gefällten oder gefallenen Bäumen annimmt, sie in wunderbare Möbel verwandelt und damit vor dem Häcksler bewahrt. Design als Lebensretter – wie schön. ▲