Familienreisen im Einklang mit der Natur
Ein Gespräch mit Fjordkind Reisen über Naturerlebnisse, Entschleunigung – und die Frage, was Urlaub wirklich erholsam macht.

Was bedeutet es, nachhaltig zu reisen – gerade mit Kindern? Wir haben mit Fjordkind Reisen gesprochen, einem Anbieter für skandinavische Familienurlaube mit Haltung und Herz. Im Interview erzählen die Gründerinnen Corinna und Anna, warum sie selbst ihre wichtigste Zielgruppe sind, wie sie Nachhaltigkeit jenseits von Zertifikaten denken – und warum der schönste Urlaub oft der leiseste ist.
Fjordkind Reisen ist mehr als ein Reiseanbieter – es ist eine Haltung. Was war der Auslöser für euch, diesen Weg einzuschlagen und nachhaltiges Familienreisen in den Mittelpunkt zu stellen?
Wir sind eher zufällig zum Tourismus gekommen. Als Studentinnen haben wir bei einem Reiseveranstalter für Island-Reisen gearbeitet, weil wir die erforderlichen Sprachkenntnisse hatten und uns in Island auskannten. Die Arbeit an sich hat uns Spaß gemacht. Dazu kam: Wir reisen beide gern und haben beide schon früh Kinder bekommen. All dies haben wir miteinander verbunden und so unsere Idee von Familienreisen nach Nordeuropa entwickelt. Wenn wir neue Reisen entwickeln, überlegen wir immer zuerst, ob wir sie mit unseren Familien selbst auch machen würden. Wir sind in gewisser Hinsicht unsere eigene Zielgruppe. Ganz wichtig ist, dass Familien eine schöne Urlaubs- und Familienzeit haben. Der Urlaub sollte nicht in Stress ausarten. Wir achten also vor allem bei der Auswahl der Route und den Unterkünften darauf, dass es stimmig und schön wird.

Wie erkennt ihr wirklich nachhaltige Unterkünfte und Partner – jenseits von grünen Labels und Zertifikaten?
Es gibt mittlerweile wirklich viele Label und Zertifikate. Es ist schwierig, da noch durchzusehen. Wir kennen die Unterkünfte und Partner in Skandinavien jedoch persönlich und arbeiten mit vielen kleinen Familienbetrieben. Hier bekommt man schnell ein Gefühl dafür, ob Nachhaltigkeit eine Rolle spielt.
Für uns gibt es jenseits der ökologischen Standards noch einige andere Kriterien für die Auswahl der Partner im Norden. Wichtig ist uns, dass die Unterkünfte authentisch sind, man sich wohlfühlt und auch die Erwartungen, die man an eine Unterkunft in Skandinavien hinsichtlich der Lage und Einrichtung hat, erfüllt sind. Nachhaltig ist zum Beispiel auch regionales Essen mit lokalen Zutaten, Dinge auszuprobieren, die für die Region typisch sind. Außerdem sollen Familien so wohnen können, dass sie genügend Platz haben. Ideal sind Unterkünfte, in denen man sich auch selbst verpflegen kann, denn mit Kindern kann und will man nicht jeden Tag essen gehen müssen. Schön ist auch, wenn es mindestens zwei Schlafzimmer gibt. Einige Dinge in Bezug auf Nachhaltigkeit wie Mülltrennung, ökologische Reinigungsprodukte und Energieversorgung sind in Skandinavien ja fast schon Standard und nicht mehr wegzudenken.
Das schönste Feedback bekommen wir zu Unterkünften, wo die Gastgeber:innen die Gäste persönlich begrüßen. Der Kontakt zu Land & Leuten schafft wirklich nachhaltige Erlebnisse, die lange in Erinnerung bleiben.
Inwiefern verändert sich der Blick aufs Reisen, wenn man es mit Kindern erlebt – besonders in der Natur?
Kinder brauchen oft viel weniger zum Glücklichsein, als man aus Erwachsenenperspektive denkt. Der Spielplatz mit einer großen Auswahl an Spielgeräten ist unserer Erfahrung nach gar nicht nötig. Oft sind es die kleinen Dinge, für die im Alltag so wenig Zeit bleibt, die den Urlaubstag zu einem gelungenen Tag machen. Daher ist es wichtig, dass man an einem Urlaubsort ankommen kann und bestenfalls mehrere Tage vor Ort hat. Dass auf einem Ausflug Zeit bleibt für ein langes Picknick, eine ausgedehnte Pause am Seeufer, einen ziellosen Spaziergang im Wald, ist wichtig. Es geht nicht um das Abhaken von Dingen auf der sogenannten Bucket List, sondern um die Erlebnisse miteinander. Wir haben für unsere Kunden dieses Jahr ein Heft erstellt, in dem sie Reiseerlebnisse festhalten können. Unter anderem gibt es ein Reisebingo mit Dingen wie Sterne beobachten, Wildbeeren sammeln und Postkarte verschicken.

Nachhaltiges Reisen heißt oft: Weniger konsumieren, mehr erleben. Was sind eure liebsten „kleinen“ Momente auf Reisen, die lange bleiben?
Ganz lange in Erinnerung bleiben Erlebnisse, bei denen wir Zeit für lange und intensive Gespräche mit den Kindern hatten. Ein Beispiel ist eine Wanderung. Beim Wandern bewegt man sich langsam vorwärts, kann nebeneinander laufen und hat Zeit für längere Gespräche. Man ist nicht abgelenkt zum Beispiel durch das Smartphone. Wenn das Wanderziel erreicht ist und es zur Belohnung eine großartige Aussicht und einen schönen Picknickplatz gibt, entsteht das schöne Gefühl, etwas gemeinsam geschafft zu haben.
Weitere besondere und kleine Momente entstehen auch in besonderen Unterkünften: ein Glampingzelt in der Wildnis am Fluss, wo morgens die Rentiere vor dem Zelt stehen, oder ein Baumhaus mitten in der norwegischen Wildnis, wo man nur den wilden Bach tosen hört und die Eichhörnchen neugierig auf der Terrasse herumklettern. Das sind Familienmomente, die lange bleiben.
Der Begriff „nachhaltig“ wird heute oft sehr großzügig verwendet – was bedeutet er für euch ganz konkret, und wo seht ihr aktuell die größten Missverständnisse in der Reisebranche?
Nachhaltiges Reisen – wie oft üblich – nur auf die Auswirkungen auf das Klima und damit meist auf das Fliegen zu reduzieren, greift zu kurz. Reisen ist immer mit dem Ausstoß von Emissionen verbunden. Das lässt sich nicht vermeiden, aber man kann natürlich etwas tun, um Reisen nachhaltiger und auch klimabewusster zu gestalten.
Wir versuchen, wo möglich, die Anreise ohne Flug anzubieten und bieten auf unserer Webseite die meisten Reisen immer mit Fähre als Paket an. Das geht nicht immer, gerade wenn es um Winterurlaube geht. Wenn für die Winterferien eine Woche zur Verfügung steht und man gerne mal Schnee und Kälte erleben will, dann bleibt oft nur die Fluganreise, insbesondere wenn die Familien in Richtung Polarkreis reisen.
Der Großteil unserer Reisen findet in den Sommermonaten statt. Wir planen sehr viele unserer Reisen so, dass man mit der Fähre anreisen kann. Viele Fährgesellschaften haben mittlerweile Schiffe, die weniger Emissionen ausstoßen. Mittlerweile haben wir auch die Möglichkeit, einige wenige Reisen nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzubieten. Das geht, aber man ist dann vor Ort relativ eingeschränkt und muss alles sehr gut planen. Für Familien ist das oft nicht so einfach. So kann man zum Beispiel in den Nachtzügen nur wenig Gepäck mitnehmen und Kinderwagen sind ausgeschlossen. Leider sind auch die Zugbuchungen im Vergleich zu Fähr- und Flugbuchungen immer noch recht kompliziert in der Abwicklung. Viele Züge sind nicht weit im Voraus buchbar und oft sind die Verbindungen leider auch sehr teuer. Toller Vorreiter ist hier Finnland mit einem sehr guten Buchungsportal für Züge und wirklich sehr günstigen Preisen.

Nachhaltigkeit ist aber auch soziale Verantwortung und kultureller Austausch. Reisen bildet und der Blick über den eigenen Tellerrand hinaus ist gerade heute aus unserer Sicht sehr wichtig. Das alles zusammengenommen bedeutet für uns zum Beispiel, dass wir keine Kurztrips übers Wochenende anbieten. Das ist für Familien auch sowieso viel zu stressig. Unsere angebotenen Reisen sind mindestens einwöchige Reisen. Nachhaltigkeit bedeutet natürlich auch, dass wir bei uns im Büroalltag auf umweltfreundliche Produkte achten, kaum etwas ausdrucken und alle Mitarbeiterinnen ein Ticket für den öffentlichen Nahverkehr haben.
Zusätzlich haben wir uns entschieden, unsere CO₂-Emissionen und die der von uns verkauften Reisen zu kompensieren. Wir haben uns dafür einige Organisationen näher angeschaut und deren Maßnahmen ausgewertet. Seit unserer Gründung arbeiten wir mit der Umweltstiftung Wilderness International zusammen. Statt CO₂ einzusparen zum Beispiel durch technische Lösungen, Aufforstungsprojekte oder Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit, schützt die Stiftung intakte Ökosysteme, die CO₂ von Natur aus und langfristig binden, indem sie sie kauft. Das ist Klimaschutz, Pflanzenschutz und Tierschutz in einem. Zusätzlich arbeitet die Stiftung transparent, jeder geschützte Quadratmeter ist nachvollziehbar und die Stiftung ist 2023 mit dem Phineo-Wirkt-Siegel ausgezeichnet worden. Unter wilderness-international.org kann man alles sehr informativ und gut aufbereitet nachschauen. Wir haben uns pauschal für 20 Quadratmeter pro Reise entschieden. Wenn unsere Kunden möchten, können sie das noch ergänzen und einen weiteren Beitrag leisten. Viele Kunden machen mit, und so haben wir inzwischen schon einen richtig schönen Fjordkind-Wald von zurzeit 30.000 m², was uns sehr freut.
Fazit:
Fjordkind Reisen zeigt, wie Reisen mit Kindern und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen können – ohne Verzicht, aber mit viel Gefühl, Verantwortung und echter Lebensfreude. Für Familien, die nicht nur „weg“ wollen, sondern etwas mitnehmen, das bleibt.
Hier geht’s zu den Reisen unseres Partners Fjordkind.