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Naturstunde

NORR-Redakteur Philipp Olsmeyer zwingt sich zur gemeinsamen Auszeit. Zum Glück.

Paradox ist es ja schon. Da spielt sich der größte Teil in NORR draußen ab, aber wir, die das Magazin machen, sitzen trotzdem – laut Excel-Zeiterfassungstabelle – zu circa 93,6 Prozent drinnen. Vorm Computer, am Telefon, auf wuseligen Messen, vor allem aber im »Möte«, wie die Schweden liebevoll-sadistisch ihre Meetings nennen und wo offen, gleichberechtigt, demokratisch und zeitraubend alle mehr oder weniger wichtigen Themen durchdiskutiert werden.

Eines dieser mehr oder weniger wichtigen »Möte«-Themen war vor einigen Monaten die »Naturtimme«. Der revolutionierende Vorschlag zielte just auf das oben beschriebene Paradox ab und sah vor, dass unser gesamtes Team eine Stunde (schwed. timme) pro Woche gemeinsam in der Natur (schwed. natur) verbringen solle. Natürlich im Rahmen der Arbeitszeit. Die Verantwortung für die Organisation könne wöchentlich rotieren – wie beim Küchendienst.

Die letzte Naturtimme führte uns auf Glatteis mitten in Stockholm.

Das klang so klug wie fantastisch und erreichte direkt eine Mehrheit. Dennoch gab es bei aller Eu- phorie auch Zweifel unter den üblichen Zweiflern: Hab ich wirklich Zeit für Zeit draußen? Wie entspannend ist es, kurz vor Deadline den lebenswichtigen Bildschirm zu verlassen, um Natur und Gemeinschaft zu erleben? Will ich mich überhaupt mit den gleichen Typen auch noch außerhalb der Redakti- on rumschlagen? Und soll ich jetzt echt noch was organisieren, wo ich es schon kaum schaffe, jede neunte Woche die Tassen in die Spülmaschine zu stellen?

Wie entspannend ist es, kurzvvor Deadline den lebenswichtigen Bildschirm zu verlassen, um Natur und Gemeinschaft zu erleben?

Wie auch immer. Seit dem entscheidenden »Möte« haben wir viele schöne »Naturtimmar« miteinander verbracht: Stockholms zentralstes Naturreservat Årsta Holmar auf einer kleinen Insel im Årstaviken besucht, Pizza in einem malerischen Schrebergarten gegessen, früh morgens in einem Park mit Blick auf das Stadthaus zusammen gefrühstückt oder zusammen im Eis gebadet. Und ich musste fast weinen, als vor zwei Wochen bei allerschönstem eiskalt-sonnigen Winterwetter alle zusammen auf dem Källtorp-See Schlittschuh fahren waren, während ich kotzend zu Hause lag.

Es ist immer noch ein Stressmoment, wenn die Naturstunde schlägt und man sich für einen Moment von der drückenden Arbeit abnabeln muss. Doch irgendwie klappt es ja trotzdem und in der Regel kehrt man glücklicher an seinen Platz zurück. In diesem Sinne am Schluss noch der kluge Rat von uns an euch: einfach mal loslassen und ab nach draußen. Zwingt euch hier und da zu einer Auszeit – es lohnt sich!

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