Coast to Coast durch Südschweden
Varberg, im Mai. Es ist warm, fast heiß, ein früher Sommertag. Die Menschen auf der Straße bleiben stehen, als wir vorbeiziehen, sie sehen uns an und lächeln. Nur wenige fragen, was wir machen. Die Rucksäcke sind so leicht, als gehörten sie zum Körper dazu. Die Beine laufen wie von selbst. Wir kommen auf viele Beine, wenn wir alle zählen. 36 bringen wir insgesamt zusammen: Zwölf Wandernde, die Hündinnen Wilda und Lycka und Allan, das Pferd. Wie eine Zirkustruppe müssen wir aussehen, denke ich. Wie eine Karawane. Wir sprechen nicht viel miteinander, genießen den Moment, so lange er dauert. Einmal zeigt Jörgen auf ein Haus, und wir verlangsamen für einen Augenblick unsere Schritte. Da habe ich früher gewohnt, sagt er. Am Brunnen halten wir an, damit die Tiere trinken können. Meine Wasserflasche ist leer. Das macht nichts. Wir sind da.
Wenn man einen Weg zu Fuß zurückgelegt hat, entsteht eine besondere Form der Erinnerung. Wenn man nicht bleibt, sondern sich voran bewegt, vermehren sich die Erinnerungsbilder mit der zurückgelegten Strecke. Es sind nicht nur die Erlebnisse und Begegnungen, die in der Erinnerung bleiben, sondern es sind, wie verschiedene Bühnen, auf denen die Eindrücke sich halten, die Bilder der Orte, die man durchquert, der Landschaften, die man gesehen hat. So wird der Zeitraum der Reise zu einer mehrdimensionalen, körperlichen Erinnerung mit einer Fülle an lebendigen Bildern – und tatsächlich zu einem Zeit-Raum. Wenn man diesen mit anderen teilen kann, ist es umso schöner.
Wir gehen zu Fuß nach Varberg hinein. Ans Schloss, ans Meer, ins Meer hinein, hinterher auch in die Burg hinein, zu einem fulminanten Abschlussessen in den »Fästningsterrassen«. Startpunkt der Wanderung, zwölf Tage vorher, ist Kalmar. An einem anderen Meer und einer anderen Festung. Und zu einer anderen Jahreszeit. In diesen zwölf Tagen kommt der Mai nach Schweden und die Bäume schlagen aus. Wir sehen zu, wie alles grün wird.