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Genussradfahrt – Eine E-Bike Tour durch Skåne

Endlose Sandstrände, verschlafene Fischerdörfchen und Spuren aus der Wikingerzeit – Skåne gilt nicht ohne Grund als eine der schönsten Urlaubsregionen Schwedens. Das trifft auch auf Reisen mit dem Fahrrad zu, wie wir auf einer E-Bike-Tour entlang der schwedischen Südküste erleben durften.

Die Packtaschen abladen, die Räder im Holzschuppen verstauen und schnell hinein ins Warme. Immer der Nase nach, dem Duft der frisch gebackenen Zimtschnecken folgend. Den Zeitpunkt für unsere Ankunft im Drakamöllan Gårdshotell– wir hätten ihn uns nicht besser aussuchen können. Genau in dem Moment, in dem wir das kleine Landgut erreichen, setzt der seit Stunden angekündigte Regen ein. Bereits auf den letzten Kilometer hin zu unserem Tagesziel hat der Wind deutlich aufgefrischt. Jetzt öffnet der Himmel seine Schleusen endgültig. „Ihr kommt gerade richtig. Drinnen wartet schon eine kleine Stärkung auf euch“, ruf uns eine Dame am Eingang zu. Ingalill Thorsell ist die Besitzerin des kleinen Hotels. Noch während wir uns unserer Regensachen entledigen und es uns im urig eingerichteten Speisesaal gemütlich machen, versorgt sie uns mit Tee. Draußen bläst der Wind, immer wieder prasseln die von den Böen aufgewirbelten Regentropfen ans Fenster. „Euer Zimmer ist schon fertig. Aber zuerst esst ihr in Ruhe“, sagt die Hotelbesitzerin mit warmer Stimme. Seit unserem Start in Ystad haben wir uns den ganzen Tag den immer stärker werdenden Wind gestemmt. Dementsprechend glücklich sind wir jetzt, dass wir in unserer Unterkunft so offenherzig begrüßt werden.

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Das Landhotel Drakamöllan ist ein wirklich gemütlicher Zwischenstopp auf dem Weg.

Die Ankunft im Drakamöllan Gårdshotell fällt auf den dritten Tag unserer Schnuppertour entlang der schwedischen Südküste, gestartet sind wir drei Tage zuvor in Helsingborg. Von der Küstenstadt aus fahren wir am Ostufer des Öresunds entlang nach Landskrona und reisen dann weiter über Trelleborg, Ystad und Åhus bis nach Kristianstad. Auf den knapp 250 Kilometern wollen wir sowohl den Sydkustleden als auch den Sydostleden erkunden – zwei der bekanntesten Fernradwege Schwedens. Das Besondere: Wir unternehmen unsere Tour Anfang Oktober. Normalerweise gelten die Monate Juni, Juli und August als Hauptreisezeit für Schwedens südlichste Region, wir wollen Skåne und seine endlosen Sandstrände, verschlafenen Fischerdörfchen und unzähligen historischen Plätze allerdings im Herbst erleben, abseits der sommerlichen Touristenströme. Unterwegs sind wir auf gemieteten E-Bikes, dir wir mit Packtaschen beladen haben. So fahren wir von Ort zu Ort. Das Einzige, was zählt, ist der Weg vor uns. Die perfekten Voraussetzungen also, um abzuschalten, den Kopf freizubekommen und die Natur zu genießen.

Neue Kräfte durch kaltes Wasser

„Det finns inget dåligt väder, bara dåliga kläder“, sagt ein schwedisches Sprichwort, das im Deutschen genauso funktioniert und das beim Reisen mit dem Fahrrad zum täglichen Brot gehört: „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Bekleidung.“ Denn schon bei unserer Ankunft in Helsingborg stellen wir fest, dass der schwedische Herbst durchaus seine Launen haben kann. Rund 15 Regentage pro Monat gibt es in Skåne zu dieser Jahreszeit, zum Start unserer Tour erwischen wir direkt einen davon. Es passt daher gut, dass unser erster Stopp bereits nach wenigen Kilometern eingeplant ist: Das Pålsjöbaden ist ein über 100 Jahre altes Kaltbadehaus an der Strandpromenade, das in ganz Schweden bekannt ist.

Drinnen wird in der Sauna geschwitzt, draußen wird im kalten Wasser des Öresunds gebadet. „Das ist gut für den Kreislauf und das Immunsystem“, erzählt uns Mia Jansson, die sich um die täglichen Abläufe im Pålsjöbaden kümmert. Dreimal soll man Saunieren und Baden abwechseln, sagt die Expertin, dann sei der Entspannungsfaktor besonders groß. „Beim ersten Badegang reinigt man den Körper, beim zweiten Mal reinigt man die Seele – und beim dritten Mal sammelt man neue Kräfte für neue Herausforderungen.“

Vielleicht sind es diese Kräfte, die uns – selbstverständlich neben den Motoren unserer E-Bikes – am Nachmittag in Windeseile nach Landskrona weitertreiben. Inzwischen hat auch der Regen nachgelassen und wir können die herbstliche Küstenstimmung vollends genießen. Es sind unsere ersten Kilometer auf dem Sydkustleden, zu Deutsch „Südküstenweg“. Die 260 Kilometer lange Randwanderstrecke führt von Helsingborg immer am Meer entlang bis nach Simrishamn, erst 2019 wurde sie neu eingeweiht. Bereits mit den ersten Pedaltritten hinter der Stadtgrenze von Helsingborg wird klar, warum sich der Sydkustleden innerhalb kürzester Zeit zu einer der beliebtesten Radstrecken Schwedens entwickelt hat: Idyllische Ortschaften wechseln sich mit endlosen Stränden ab, oftmals ist das Meer nur wenige Meter vom Weg entfernt. Gründe zum Anhalten gibt es im Kilometertakt – etwa in Borstahusen, einem Dorf kurz vor Landskrona, dessen Wurzeln bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen und dessen Backsteinhäuser bereits die Vergangenheit der geschichtsträchtigen Region ankündigen.

Denn der Sydkustleden ist nicht nur wegen seiner Kulisse reizvoll, sondern auch aufgrund der Sehenswürdigkeiten am Wegesrand. Das zeigt sich in unserem Tagesziel Landskrona mehr als eindrucksvoll: Am Eingang der Stadt treffen wir Olga Bergvall, die sich hier um den Tourismus kümmert, der insbesondere seit der Eröffnung der nahen Öresund-Brücke im Jahr 2000 aufblüht. Heute leben knapp 30.000 Menschen in Landskrona, vor 600 Jahren wäre die Stadt dabei beinahe zur Hauptstadt geworden. 1413, erzählt uns Olga, hat König Erik VII. von Dänemark den Ort auf den ursprünglichen Namen „Landskrone“ getauft, mit der Absicht, hier die Hauptstadt der seit 1389 in der Kalmarer Union vereinigten nordischen Länder zu gründen. Von der langen Historie zeugt heute noch die Zitadelle, die zugleich Verteidigungsanlage und Schloss war. Sie gilt als eine der besterhaltenen Skandinaviens, mit unseren E-Bikes können wir über eine hölzerne Brücke sogar in die Zitadelle hineinfahren – und das imposante Bauwerk von innen bewundern. Während der Regen wieder auffrischt, gibt uns Olga noch weitere Tipps mit auf den Weg – etwa einen Besuch der Sofia-Albertina-Kirche oder einen Tagesausflug die der Stadt vorgelagerten Insel Ven, einem Naturparadies mitten im Öresund.

Auf den Spuren der Wikinger

Historisch wird es auch am nächsten Morgen. Mit dem Zug fahren wir von Landskrona nach Trelleborg, um dort das Freilichtmuseum Trelleborgen zu besuchen. Mitten in der Stadt, die im Übrigen die südlichste Stadt Schwedens ist, hat man hier bei Bauarbeiten im Jahr 1988 Reste einer alten Wikingerfestung gefunden – und diese dann an Ort und stelle rekonstruiert. Zur Anlage gehören unter anderem ein Langhaus, ein Garten, Grubenhäuser sowie ein Wikingermuseum. Museumschef Ola Lundin führt uns durch die aktuelle Ausstellung, die vor allem die mystischen Ausprägungen der Wikingerzeit in den Fokus nimmt. „Neben dem Museum veranstalten wir auch regelmäßig Events – angefangen bei Wikingermärkten bis hin zu traditionellen Kochkursen“, erzählt er. Nach einem Rundgang über die historische Anlage stärken wir uns im museumseigenen Café, ehe wir uns wieder auf unsere Räder schwingen. Das Ziel des Tages ist heute das rund 50 Kilometer entfernte Ystad.

Der Leuchtturm in Smygehuk ist der südlichste in Schweden.

Der schwedische Herbst meint es gut mit uns, denn ab und blinzelt sogar die Sonne durch die Wolken und wir können den Sydkustleden noch mehr genießen als am Vortag. Mit der Sonne in den Speichen und dem Wind im Rücken erreichen wir Schwedens südlichsten Punkt: Smygehuk. Die beste Aussicht auf die Ostsee bietet allerdings nicht das Kap selbst, sondern ein nur ein paar Pedaltritte entfernter, knapp 20 Meter hoher Leuchtturm. Dieser steht auf dem Grundstück der Herberge Smygehuk Lighthouse Hostel und wird vom Besitzer Mick Daly und seiner Frau Joanna liebevoll gepflegt.

Mick ist Australier, einst kam er der Liebe wegen nach Schweden. Dass er einmal zum Hotel- und Leuchtturmbesitzer auf der anderen Seite der Welt werden würde, hätte er nicht gedacht, als er einst seine Heimat verließ, erzählt er mit einem Lachen. Für uns ist deshalb nicht nur der Leuchtturm ein Highlight, sondern auch der kurze Plausch mit Mick. Es sind Begegnungen wie diese, die das Reisen mit dem Fahrrad so interessant und zugleich entspannend machen – denn Zeit zum Innehalten ist immer.

Langes Haus bei dem Viking Museum Trelleborgen.

Einen kurzen Kaffeestopp im Fischerdorf Abbekås später, kündigen blaue Kornblumenfelder unser Tagesziel an – Ystad. Besonders berühmt wurde die Stadt mit ihren vielen älteren Backsteinhäusern und kleinen, kopfsteingepflasterten Sträßchen vor allem durch Henning Mankells Krimis rund um den Kommissar Wallander. Stilecht kommen wir deshalb dem alten Bahnhofsgebäude mit dem Namen „Stationen“ unter, das in den Wallander-Filmen als Polizeidienststelle dient. Liebevoll wurde das 1865 errichtete Haus in eine urige Frühstückspension verwandelt, bereits am Eingang gibt es Info-Tafeln zu Wallander und seinen Kriminalfällen. Es ist nicht die einzige Wallander-Sehenswürdigkeit in der Hafenstadt: Im Lieblingscafé des Kommissars, Fridolfs konditori, kann man das berühmte Wallander-Gebäck kaufen. Und in der Mariagatan steht sein Wohnhaus. Sogar eine eigene Wallander-App gibt es, mit der man die verschiedenen Drehorte der Filme finden kann.

Rennen gegen den Sturm

Statt Krimi-Apps haben wir allerdings eher die Wetter-Apps im Blick. Denn als wir am nächsten Tag kurz hinter Ystad am Straßenrand eine kleine Radpanne reparieren, warnt uns ein Bauer vor einer Regenfront, die am Nachmittag über Skåne heraufziehen soll. Sogar eine Sturmwarnung gebe es. In Anbetracht der auf dieser Etappe zu erwarteten Highlights sind wir deshalb hin- und hergerissen: Den ganzen Weg bis nach Drakamöllan so schnell wie möglich fahren – oder ein paar ungemütliche Kilometer riskieren und so viel wie möglich mitnehmen. Wir entscheiden uns für Letzteres. Kurz hinter Ystad wandern wir zu den Steinen von Ale, auf Schwedisch „Ales stenar“, hinauf. Mit 67 Metern Länge und 19 Metern Breite handelt es sich um eine der größten erhaltenen Schiffssetzungen in Skandinavien. Aber auch die Landschaft ist einzigartig: War das Terrain bis dato größtenteils flach, wird der Sydkustleden nun hügeliger. Wälder wechseln sich mit Feldern ab, auf denen bereits riesige Strohballen für den Winter zusammengerollt wurden. Noch beeindruckender sind allerdings die Küstenabschnitte: Der Strand von Sandhammaren gehört zu den beliebtesten Stränden von Skåne und lädt mit seiner endlosen Küstenlinie und dem fast weißen Sand selbst im Herbst zum Verweilen ein.

In Anbetracht des immer stärker aufkommenden Windes und des angekündigten Regens ist unser persönliches Highlight allerdings der Mittagsstopp: In Örnahusen, einem Dorf auf halber Strecke, haben der Schwede Jon Lindberg und seine Frau Giovanna ein vegetarisches Restaurant, Jord och bord, mit einem sogenannten Küchengarten gegründet. Ihre Zutaten bauen sie dort selbst an, allesamt nach biologischen Prinzipien. Wir werden mit Ramen-Suppe, veganen Burgern und selbst gemachte Limonade versorgt – eine bessere Stärkung gibt es unterwegs wohl kaum. Vielleicht ist das auch der Grund, warum uns die Strecke bis zu unserer Unterkunft im Drakamöllan Gårdshotell alles andere als anstrengend vorkommt. Unsere regelmäßigen Blicke zum Himmel sorgen für die restliche Motivation. Denn je näher wir unserem Tagesziel kommen, desto dunkler werden die Wolken. Als auf den letzten Kilometern die ersten Tropfen vom Himmel fallen, ziehen wir unsere Regenbekleidung über. Doch richtig zu regnen beginnt es erst, als wir unser Tagesziel erreichen.

Während uns dort Besitzerin Ingalill Thorsell die eingangs erwähnten Zimtschnecken serviert, erzählt sie uns die Geschichte ihres Hofs. Der stammt nämlich aus dem 17. Jahrhundert, zusammen mit ihren Mitarbeitern hat sie ihn in liebevoller Arbeit zu einem Hotel umgebaut. Heute werden die Fachwerkhäuser von Kopfsteinpflasterwegen und Buchsbaumhecken eingerahmt, dazu gibt es ein breites Netz an Wanderwegen, hinter dem Hotel weiden Kühe, Pferde und Schafe. Drakamöllans größter Schatz sind jedoch die Stille – und erneut die Kulinarik. „Wir sind ein Ort für Menschen, die genießen wollen“, sagt sie – und zeigt uns stolz ein japanisches Magazin, das über das schwedische Hotel berichtet hat. Ingalill hat selbst bereits mehrere Bücher verfasst. Ihre Kochbücher, die sich allesamt um die Küche in Drakamöllandrehen, haben in Schweden sogar Preise gewonnen. Beim Abendessen überzeugen wir uns selbst davon: Passend zur Jahreszeit gibt es Kürbissuppe. Draußen regnet es nach wie vor in Strömen – die heimelige Atmosphäre genießen wir deshalb umso mehr.

Ein Fika auf stärkt unterwegs.

Die Sonne im Gesicht

Auf Regen folgt Sonnenschein – dieses Motto hat nie besser gepasst als am letzten Tag unserer E-Bike-Tour durch Skåne. Bereits am Morgen begrüßt und purer Sonnenschein und der schwedische Herbst präsentiert sich von seiner prächtigsten Seite. Unsere Reifen knirschen auf der von der durchregneten Nacht noch nassen Schotterstraße, das Licht der tief stehenden Sonne lässt die bunten Wälder noch farbenfroher erscheinen. Unterwegs passieren wir Bauernhöfe mit Apfelplantagen, auf den Feldern grasen Schafe. Wir befinden uns nun auf dem Sydostleden, einem der großen Fernradwege Schwedens. Der Weg beginnt im Südosten von Skåne und führt bis nach Växjö in der Nachbarprovinz Småland. Ähnlich wie der Sydkustleden ist auch der Sydostleden, zu Deutsch Südostweg, so gebaut, dass Radfahrende die Natur möglichst unbehelligt vom Autoverkehr genießen können. Im Naturschutzgebiet Friseboda radeln wir abseits des Straßenverkehrs direkt am Meer entlang, erst in Åhus treffen wir wieder auf die Zivilisation.

Åhus ist zugleich das große Finale unserer E-Bike-Schnuppertour. Knapp 10.000 Menschen leben hier, wobei es sich um eine der am besten erhaltenen mittelalterlichen Städte Schwedens handelt. Die Oktober-Sonne meint es besonders gut mit uns, weshalb wir die Fahrt durch die engen, von malerischen Fachwerkhäusern gesäumten Gassen besonders genießen. Unsere Mittagseinkehr verlegen wir aufgrund des guten Wetters kurzerhand auf die Strandpromenade, ehe wir uns auf die letzte Etappe begeben: die Fahrt zum Bahnhof im nur 20 Kilometer entfernten Kristianstad, wo unsere Tour endet. Der surrende E-Bike-Motor bekommt auf diesem Abschnitt noch einmal kräftige Unterstützung vom Rückenwind. Es ist ein perfektes Ende für die letzten vier Tage – und die perfekte Gelegenheit, um das Erlebte noch einmal Revue passieren zu lassen. Angefangen bei unserem regnerischen Start in Helsingborg über das Eintauchen in die Geschichte der Wikinger bis hin zur beeindruckenden Natur Skånes und der Gastlichkeit des Landes. Aufgrund dieser besonderen Mischung – da sind wir uns schnell einig – ist Skåne wahrscheinlich der ideale Ort für solche Genusstouren mit dem Fahrrad. Denn bei einer Radreise geht es nicht nur für um das Erleben von Sehenswürdigkeiten und Co., sondern es geht auch um den Weg selbst. Vor allem aber geht es um das, was zwischen A und B liegt. Und davon hat Südschweden unglaublich viel zu bieten.

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