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Ganz viel Luft nach Oben: Snowkiten im schwedischen Fjäll

Lässig mit dem Kite durch das weiße weite Fjäll zu gleiten und zwischendurch spektakulär abzuheben, war schon lange ein Traum von Philipp Olsmeyer. Wie realistisch das ist, testet der NORR-Redakteur im schwedischen Tänndalen.

Die Motivation

Snowkiten scheint die perfekte Aktivität für mich zu sein: Es sieht cool und dynamisch aus, soll recht leicht zu lernen sein und verspricht damit schnellen Spaß und Speed. Gleichzeitig ist es mehr als ein Trendsport. Schließlich kommen Drachen und Skier bei Expeditionen seit Ewigkeiten zum Einsatz und haben waghalsige Pioniere schon bis zum Nord- und Südpol gebracht. Ich verspreche mir eine Mischung aus Action und Abenteuer – ein Ski- und Naturerlebnis jenseits der Piste.

Geschwindigkeit und totale Freiheit. Ein Traum für alle über 40.

Die Landschaft

Das Fjäll, dieses grenzenlose, schnee- und windreiche Hochplateau mit seinen meist sanften Hügeln und gefrorenen Seen, oft ohne fiese Felswände und schwarze Abgründe wie in den Alpen, ist wohl das ideale Terrain für blutige Snowkiteanfänger wie mich. Ich bin im schwedischen Funäsfjäll, an einem der höchsten Punkte des Skigebiets Tänndalen, knapp über der Baumgrenze (auch das ein Vorteil). Von dem weitläufigen Übungsgelände könnte ich bei richtigem Wind einfach losgleiten, über Svansjö und Vättlefjäll bis nach Norwegen. Das Zurückkommen wäre dann wohl eine andere Frage. 

Guide Jakob kennt nicht nur die Landschaft, sondern weiß auch, wann und von wo der Wind kommt.

Das Lernziel

Einer, der es kann, ist mein Guide Jakob, Student aus Stockholm, mit viel Zeit, in der er kitet. Wasser, Schnee, egal. Zur Demonstration heizt er über das Plateau, springt über Schneekanten, lässt sich in die Luft ziehen, dreht sich um 360 Grad, kreuzt gegen den Wind genau zu mir zurück. Heute Morgen, meint er, habe er sich kurz auf den Gipfel da drüben ziehen lassen. Aber auch ich starte nicht bei null. Nach meinem Kitekurs auf dem IJsselmeer in Holland weiß ich immerhin, wie man den Drachen hin und her und in die Powerzone steuert, wo der Wind die meiste Kraft hat. Aber die Kunst beim Snowkiten liegt eben  darin, gleichzeitig die Geschwindigkeit des Drachens und die Bretter unter den Füßen zu kontrollieren und sie durch die Landschaft zu manövrieren. Da gibt es bei mir noch reichlich Luft nach oben.  

So soll es dann aussehen. Jakob kitet im Winter durch das Fjäll und im Sommer über die Ostsee.

Das Equipment

Von der Holzhütte am oberen Ende des Hamraliftes fahren wir mit der Ausrüstung die letzten paar hundert Meter zum Übungsgelände. Schön, dass alles Nötige in einen Rucksack passt: Der Kite, das Trapez und das Barsystem, mit dem der Drachen gelenkt wird, inklusive Chicken Loop, einem speziellen Sicherheitshaken, der sich bei Panik leicht lösen lässt. Wir haben Drachen mit aufblasbaren Rahmen (Tube), die man auch auf dem Wasser verwenden könnte. Im Schnee kommen jedoch oft auch gleitschirmartige Modelle ohne Rahmen (Matte) zum Einsatz, deren Kammern sich selbst mit Luft füllen. Unter den Füßen habe ich meine Freeride-Skier, die bei eventuellen spektakulären Sprüngen vielleicht nicht ganz so elegant wirken wie ein Snowboard, dafür aber mehr Beweglichkeit versprechen.

Mit dem Barsystem wird gleich der Kite gelenkt. Zunächst aber müssen die Schnüre ordentlich ausgelegt und befestigt werden.

Die Vorbereitung

Lange Vorbereitungen sind ja nicht so meine Sache. Drachen ordentlich auslegen, Rahmen ordentlich aufpumpen, Schnüre ordentlich auslegen – das alles bei Wind, der wie ein trotziges Kind alles wieder kaputt machen kann. Apropos trotzig: Als ich mit allem fertig bin, ist erst mal Flaute. Kurz warten, meint Jakob, zeigt auf seine Wetter-App und die dünnen Wolken am blauen Himmel. Und tatsächlich ist der Wind bald wieder zurück. Der Guide zieht den Kite in die Höhe, zeigt noch mal die Basics und übergibt dann an mich. Nach ein paar Übungen ohne Skier, in denen Jakob hinter mir sitzt – ein bisschen wie bei der Geburtsvorbereitung –, springe ich in die Bindungen. Und ab geht’s. 

Erst ds Pumpen, dann das Vergnügen: Aufblasbare Kites (Tube) eignen sich für Schnee und Wasser gleichermaßen.

Snowkite-Locations in Skandinavien

 Tänndalen/Schweden: Auf dem Plateau an der Bergstation des Hamraliftes bietet das Kiteboardcenter Kurse, Mietausrüstung und geführte Touren ins Funäsfjäll an. tanndalen.com

 Haugastøl/Norwegen: Das nordische Eldorado für Snowkiter direkt am Nationalpark Hardangervidda, wo du Kurse buchen und an Wettkämpfen teilnehmen kannst. haugastol.no

 Levi/Finnland: Tagsüber im verschneiten Tunturi snowkiten und abends Nordlichter beobachten kannst du in der Skihochburg Levi in Finnisch-Lappland. levi.fi

Das Erlebnis

Anders als auf dem Meer, wo man erst lernen muss, sich mit Windkraft aus dem Wasser ziehen zu lassen, kann man hier direkt losfahren. Einfache Wenden bekomme ich auf Anhieb hin. Wind aus dem Drachen nehmen, Skier umdrehen und wieder zurück. Sieht zwar nicht geschmeidig aus, funktioniert aber. Je besser ich den Zug des Drachen kontrolliere, desto mutiger und schneller werde ich, lehne mich schließlich nach hinten und drücke die Kanten in den Schnee. Jetzt macht es richtig Spaß. Vor Freiheitsgefühl und Fjällglück merke ich nicht, wie ich immer weiter weg vom Ausgangspunkt drifte. Eigentlich hatte er mir ja noch das Kreuzen gegen den Wind beibringen wollen, sagt Jakob, der auf Skiern hinter mir herstapfen und mich zurückziehen darf. Beim nächsten Mal.

Endlich mit Wind im Kite und Spaß in den Backen die Freiheit des Fjälls genießen.

Das Fazit

Hoffnungen voll erfüllt: Snowkiten ist leichter, als es aussieht, macht schnell viel Spaß und ist eine echte Alternative zum Skifahren. Selbst Wetterunsicherheiten, den nervigen Auf-/Abbau, Miet- und Kurskosten nehme ich gerne in Kauf – und das skandinavische Fjäll bietet perfekte Bedingungen für Anfänger und Profis. Traut euch einfach!

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