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Herz des Nordens: Jämtland-Härjedalen und Trøndelag

Am 63. Breitengrad bilden die Grenzregionen Trøndelag und Jämtland-Härjedalen seit jeher ein kulturelles Zentrum Skandinaviens. Eine kulinarische Reise inmitten mächtiger Natur.

Gerade einmal zweihundert Kilometer Luftlinie liegen Trondheim und Östersund voneinander entfernt. Und doch versammeln sich zwischen den beiden Nordmetropolen alle Naturhöhepunkte, die Skandinavien so einzigartig machen: Fjäll und Küste, Wälder und Kulturlandschaften, Meer und Fjord, Seen und Flüsse. Nirgends sind die Abstände zwischen den verschiedenen Landschaften so nah wie in den Provinzen Trøndelag und Jämtland-Härjedalen. Und es ist kein Zufall, dass gerade hier am 63. Breitengrad ein kulturelles, kulinarisches und touristisches Zentrum des Nordens entstanden ist.

Die Region ist heute führend in Skandinavien, wenn es um nachhaltige, lokale Lebensmittelproduktion und Naturtourismus geht, und verbindet diese Stärken auf einzigartige Art und Weise. In diesem Jahr wird Trøndelag als European Region Of Gastronomy ausgezeichnet. Östersund findet man bereits seit 2010 auf der exklusiven Liste der Unesco Creativ Cities of Gastronomy. Gleichzeitig gilt die Umgebung als eines der beliebtesten Reiseziele für aktive Naturliebhaber, mit endlosen Möglichkeiten, die Landschaften zu entdecken – ob wandernd oder laufend, mit Rad oder Skiern, auf dem Pferderücken oder Hundeschlitten, ob mit Nächten irgendwo in der freien Wildnis oder einer der unzähligen genuinen Unterkünfte.

JÄMTLAND-HÄRJEDALEN UND TRØNDELAG
In der norwegisch-schwedischen Region im Herzen Skandinaviens leben mehr als eine halbe Million Menschen, ein Großteil davon in den Metropolen Trondheim und Östersund. Landwirtschaft, Naturtourismus und hochklassige Gastronomie haben lange Tradition und machen Jämtland-Härjedalen und Trøndelag zu einer führenden Outdoor- und Gourmet-Destination.

Geprägt von der Geschichte

Um zu verstehen, wie Trøndelag und Jämtland- Härjedalen so wichtig für den nordischen Kulturraum werden konnten und warum man die Region heute auch als Herz Skandinaviens bezeichnet, lohnt es sich für einen kurzen Moment, ihre Entstehungsgeschichte an sich vorbeiziehen zu lassen. Stellen wir uns vor, wie vor rund dreihundert Millionen Jahren das heutige Grönland mit der skandinavischen Halbinsel kollidierte, gewaltige Gesteinsmassen gen Osten schob und dabei die heutigen Gebirgslandschaften schuf.

Es ist der Reichtum der Natur, der die Gegend so lebenswert macht.

Geologische Wunder auf Leka.

Wie Regen, Schnee und Eis das schroffe Bergmassiv im Laufe der Zeit zu sanften Hochlandschaften schliffen und breite Täler entstehen ließen, während sich das Meer im Norden wieder öffnete und Ausläufer des warmen Golfstromes für lebensfreundlichere Temperaturen sorgten. Und wie schließlich, am Ende der letzten Eiszeit vor rund 10 000 Jahren, die ersten Menschen an der von ihrer kalten Schale befreiten Nordatlantikküste entlangwanderten, um sich gerade hier niederzulassen. Damals wie heute ist es der Reichtum der Natur, der die Gegend so lebenswert macht: das relativ milde Klima, die kalk- und mineralhaltigen Böden, Wälder reich an Wild, Beeren, Kräutern und Pilzen, die kühlen und trockenen Hochebenen als Weideflächen für Rentiere oder Moschusochsen, schließlich das Meer und die Binnengewässer mit ihren Fischen und Schalentieren.

Moschusochsen im Dovrefjell.

In Trøndelag und Jämtland-Härjedalen hat man gelernt, diese Schätze für sich zu nutzen und in eigener Handwerkstradition zu hochwertigen Lebensmitteln zu veredeln. Eine weitere wichtige Ressource dabei ist die Zeit. Gemüse, Getreide, Wildpflanzen und andere Früchte der Natur mögen in diesen nördlichen Breiten langsamer wachsen, doch die langen Sommertage versorgen sie fast rund um die Uhr mit Licht und sie finden hier alle Ruhe zu reifen. Gleiches gilt für die Verarbeitung der Rohwaren, bei der Sorgfalt und Geduld eine zentrale Rolle spielen. Auf diese Weise wird der Geschmack besonders intensiv und nuanciert, was die Lebensmittel auch über die Region hinaus zu einem begehrten Gut macht. Schon in der Wikingerzeit wurden die Delikatessen über den Trondheimfjord in den Norden und hinaus in die ganze Welt verschifft. Dabei dienten sie nicht selten auch als diplo- matische Valuta, mit der man Freunde gewann und Feinde besänftigte.

Zur unverwechselbaren Identität von Trøndelag und Jämtland-Härjedalen trägt in besonderer Weise auch die samische Kultur bei. Diese ist untrennbar mit der Rentierzucht verbunden, orientiert sich eng am Rhythmus der Jahreszeiten und steht für ein Leben im Einklang mit der Natur.

Lene Mari Proven

Nordische Metropolen voller Leben

Wer heute nach Trøndelag und Jämtland- Härjedalen kommt, kann diese kulinarischen Traditionen zusammen mit der faszinierenden Natur- und Kulturgeschichte auf vielfältige Art erleben. Perfekte Ausgangspunkte sind dabei Östersund und Trondheim. Trotz geografischer Lage mitten in der nordischen Wildnis und im Vergleich zu anderen Metropolen relativ kleiner Einwohnerzahl, pulsiert hier das urbane Leben, während Kultur und Historie spürbar präsent sind.

Abendsonne in Trondheim.

Die Anzahl an Gastronomie-Highlights, bei denen die hochwertigen lokalen Rohwaren zu modernen Menüs verwandelt werden, ist beeindruckend. Beide Städte ziehen Gourmets aus aller Welt an. Allein in Trondheim gibt es mit Credo, Speilsalen und Fagn gleich drei Michelin-Sternerestaurants, die lokale Tradition und internationale Avantgarde auf dem Teller vereinen. In Östersund findet man unter anderem die Jazzköket (dt. Jazzküche), eine Kombination aus Restaurant, Bar und Delikatessenladen, die der nordische Gastronomieführer White Guide unlängst als »Lokal der Herzen« auszeichnete. Das dortige Take Mikado gilt als eine der besten Sushibars Schwedens. Auf kulinarischen Events wie dem Trøndersk Matfestival und Bryggerifestival (Kulinarik- und Brauereifestival, Trondheim) oder der Krogstråket (Restaurantmeile, Östersund) feiern Einwohner zusammen mit Besuchern von nah und fern die lokale Essenskultur.

Nirgends kann man so tief in die Kulturgeschichte eintauchen.

Der norwegische Begriff »kos«, eine spezielle nordische Art der Gemütlichkeit, gemeinsamen Lebensfreude und liebevollen Gastfreundschaft, beschreibt die Atmosphäre der Studentenstädte perfekt. Sei es, ob man sich im alten Trondheimer Arbeiter- und Handwerkerviertel Bakklandet zwischen bunten Holzhäusern durch die Gassen treiben lässt, auf einem alten Dampfschiff von Östersund über den See Storsjö zum Schlossrestaurant auf der stadtnahen Insel Verkö tuckert oder in einer der vielen Mikrobrauereien mit Freunden lokal produziertes Øl beziehungsweise Öl (dt. Bier) kostet. Das Sommerfestival Yran, eines der ältesten, größten und gleichzeitig entspanntesten Open-Air-Events Skandinaviens, versammelt bis zu 300 000 Besucher, nationale und internationale Stars, Straßenkünstler und Schausteller in Östersunds Stadtzentrum.

Bakklandet in Trondheim.

Gleichzeitig kann man nirgendwo so tief in die Kulturgeschichte des Nordens eintauchen. Trondheim ist über tausend Jahre alt. Hier findet man in einem Gewölbekeller die Ruinen der ersten Kirche des heiligen Olav, der nach erfolgreicher Wikingerkarriere als norwegischer König das Christentum nach Skandinavien brachte. Olavs Gebeine sollen im bekannten Nidarosdom begraben sein, einem mächtigen gotischen Gebäude mit Grundmauern aus dem 13. Jahrhundert. Das Freiluftmuseum Jamtli in Östersund wiederum führt uns mit historischen Bauernhöfen aus verschiedenen Epochen und Ausstellungen zum Leben der Menschen in der Fjällregion durch eine faszinierende Geschichte, in der auch die samische Kultur ihr Kapitel hat.

Kosige Orte überall

Das »Kos«-Gefühl ist natürlich auch über die Stadtgrenzen hinaus zu spüren, schließlich hat Gastfreundschaft in Jämtland-Härjedalen und Trøndelag eine lange Tradition. Gläubige aus allen Teilen des Nordens wanderten in der Vergangenheit vorbei an Östersund dem Nidarosdom in Trondheim entgegen, um dort das Grab des heiligen Olav zu ehren. Auf dem Weg stärkten sie sich in den Wirtshäusern und Höfen am Weg oder fanden dort ein schönes Bett für die Nacht. Heute gilt der St. Olavsleden (Olavsweg) als skandinavisches Pendant zum El Camino de Santiago de Compostela und der letzte Abschnitt als besonders spektakulär: Vom Tal des Indalsälven wandert man über Rentierweiden und Gipfel, durch Kulturlandschaften und Wälder, schließlich am glitzernden Fjord entlang dem Ziel entgegen.

Traditionsgasthaus Åregarden.

Spätestens mit der Fertigstellung der Bahnstrecke Mittbanan, die im Jahr 1882 Trondheim und Östersund mit den Städten der Ostküste verband, kam dann der eigentliche Tourismus in die Region. Zunächst trieb es vor allem die gebildete Oberschicht ins Fjäll, die auf Höfen wohnte und von dort zu Naturexpeditionen auszog. Man entdeckte den erholsamen Effekt der Hochlandluft, Berg- und Kurhotels sprossen an den Hängen und in den Tälern aus dem Boden. Traditionsreiche Gasthäuser wie Fjällnäs und Åregården verkörpern noch heute den Geist dieser Zeit.

Eine andere Geschichte erzählt die ehemalige Grubenstadt Røros. Die historischen Holzhäuser, in denen vom 17. Jahrhundert an die Arbeiter der Kupferminen wohnten, sind heute Unesco-Weltkulturerbe und das Zuhause vieler kleiner Handwerksbetriebe, gemütlicher Restaurants und Hotels. Der Ort hat sich über die Zeit zum Vorreiter des nachhaltigen Tourismus und kulinarischen Mekka mit lokal produzierten Lebensmitteln entwickelt. Hier kann man auf Local-Food-Safaris Røros Gour- metszene und Geschichte entdecken.

Local-Food-Safari in Røros.

Weitere »kos«ige Erlebnisse versprechen die traditionell bewirtschafteten Almen in den Bergen sowie die nostalgischen Fischerdörfer entlang der Küste. Von Trondheim aus werden Bootstouren auf die Inseln Hitra und Frøya angeboten, wo man in maritimer Atmosphäre die Schätze des Meeres genießen kann. Der »Goldene Umweg« auf der Halbinsel Inderøy führt durch uralte Kulturlandschaften. Hier reihen sich Bauernhöfe, Molkereien und kleine Brauereien aneinander und die lokalen Delikatessen können direkt vor Ort probiert werden.

Auf Local-Food-Safaris die Geschichte von Røros entdecken.

Auf einer der vielen bewirtschafteten Almen kann man zwischen uralten Blockhäusern und glücklichen Kühen, Schafen und Ziegen die Zeit genießen. Wer die samische Esskultur kennenlernen will, macht sich auf ins Oviksfjäll. Hier serviert das außergewöhnliche Restaurant Hävvi i Glen magische Menüs aus Ren, Wild, Kräutern und Beeren der Umgebung – und eröffnet einen Blick über das Land der Urbevölkerung.

Aktiv die Atemberaubende Natur entdecken

All diese kulturell geprägten Orte sind genau wie die Metropolen Trondheim und Östersund eingebettet in eine mächtige Landschaft voller Aktivitätsmöglichkeiten. Die Berg- und Küstenlandschaft ist ein wahres Paradies für Naturliebhaber und Outdoor-Freunde. Acht Nationalparks, zahlreiche Naturreservate und andere lang gestreckte Wildnisgebiete findet man in Trøndelag und Jämtland-Härjedalen – mit gut markierten Wander- und Skitouren, Kletter-, Reit- und Mountainbikewegen.

Seekajaktour vor Stokkøya.

Ein traditionelles Bergsportzentrum ist Åre. Das Dorf in Jämtland, in dem schon 1910 die erste Bergbahn gebaut wurde, ist heute WM- und Weltcup-Austragungsstätte für Ski- und Mountainbikewettbewerbe. Hier findet man auch als Nicht-Profi perfekte Voraussetzungen und ein großes Netz an Pisten und Trails. Darüber hinaus gibt es zahlreiche andere Gebiete für aktive Familien und Sportler wie etwa im Funäsfjäll oder in Vemdalen, in Meråker oder Oppdal. Neben Wander- und Mountainbiketouren werden hier Rafting- oder Canyoning-Erlebnisse, Reitausflüge und Trailrunningevents angeboten.

Auch der südliche Teil des Weitwanderweges Kungsleden führt durch das Gebiet, passiert das Rogen-Naturreservat und den Gebirgszug Sylarna (norw. Sylane). Die Tourismusvereine DNT und STF betreiben Bergstationen und -hütten. Klassiker sind die »Dreiecks-Wanderungen« Jämtlandstriangeln (Storulvån– Sylarna–Blåhammaren) auf der schwedischen und Trollheimen Trekanten (Gjevilvasshytta– Trollheimshytta–Jøldalshytta) auf der norwegischen Seite, wo man auf einer Rundtour die Fjäll- bzw. Fjell-Landschaft erleben kann.

Abenteuerpark Meråker.

Im Dovrefjell-Sunndalsfjella-Nationalpark und rund um den See Rogen leben zwei Populationen von Moschusochsen, Nachkommen einer Herde aus Grönland, die in den 1920er Jahren hier wieder angesiedelt wurden. Im Dovrefjell werden Moschusochsen-Safaris angeboten, um die Tiere aus angemessener Entfernung zu beobachten. Im kleinen Ort Tännäs nahe des Rogen wurde ein Moschusochsen-Zentrum eingerichtet, um die Art zu schützen und sie den Besuchern nahezubringen. Im Nationalpark Børgefjell findet man zwischen wilden Stromschnellen und ausgedehnten Heideflächen den einzigen überlebensfähigen Polarfuchsbestand, während der Nationalpark Sonfjället einer der wichtigsten Rückzugsorte der skandinavischen Bären ist.

Auf der Meeresseite wartet die wilde, charakteristische Nordatlantikküste Trøndelags mit ihrer faszinierenden Inselwelt, Sandstränden zwischen felsigen Klippen und einer fantastischen Tier- und Unterwasserwelt. Wer das maritime Herz Skandinaviens entdecken will, kann sich zwischen Meeressafaris, Küstenwanderungen und kulinarischen Erlebnissen, Angel-, Tauch- oder Kajaktouren entscheiden.

Einsames Fischerglück im Funäsfjällen.

Die Berg- und Küstenlandschaft ist ein Paradies für Naturliebhaber.

Hier kommen wir zu dem Ort, an dem unsere Reise durch Trøndelag und Jämtland-Härjedalen ihr Ende findet. Auf der Insel Stokkøya liegt die wohl schönste Strandbar des Nordens. Mit Blick auf den Atlantik, einem lokal gebrauten Bier und einem Teller frischer Meeresfrüchte kann man noch einmal daran denken, wie vor sehr langer Zeit die ersten Bewohner der Region genau an diesem Ort ihre lange Wanderung entlang der eisfreien Nordküste pausierten und sich dachten: »Hier wollen wir bleiben.

Weitere Highlights zur Trøndelag und Jämtland-Härjedalen findet ihr in unseren NORR Guides.

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